FEMMORTE – oder das neue Autodafé

Wider das Frauenortebashing und ‚alte’ Feministinnenmobbing

In bewusst polemischen Anmerkungen geht’s jetzt und hier widers Frauenortebashing und ‚alte’ Feministinnenmobbing durch einen nicht mehr ganz neuerdings erhobenen Ton einer fortschrittsgeschwängerten A-Passionata gegens Begehren von Frauen nach selbstbestimmten exklusiven Räumen.

“Die Entwurzelung ist bei weitem die gefährlichste Krankheit der menschlichen Gesellschaft. Wer entwurzelt ist, entwurzelt. Wer verwurzelt ist, entwurzelt nicht. Die Verwurzelung ist vielleicht das wichtigste und meistverkannte Bedürfnis der menschlichen Seele.” Simone Weil

FEMMORTE – oder das neue Autodafé*

Der feministische Dekonstruktivismus begnügt sich nicht damit, die Polarisierung und Hierarchisierung der Geschlechter anzugreifen. Die Frau als Kategorie soll im Sprachgebrauch fragwürdig werden, soll verschwinden, untergehen, sich auflösen in 7 oder 87 Geschlechtern. Wir sehen darin einen theoretisch verbrämten Wunsch nach Selbstabschaffung, dem auf der Seite von Männern nichts Vergleichbares gegenübersteht. (aus: Hand aufs dekonstuierte Herz)

In bewusst polemischen Anmerkungen – aus Schmerzgeschichte/n, die nicht vernarben wollen – geht’s jetzt und hier widers Frauenortebashing und ‚alte’ Feministinnenmobbing** durch einen nicht mehr ganz neuerdings erhobenen Ton einer fortschrittsgeschwängerten A-Passionata gegens Begehren von Frauen nach selbstbestimmten exklusiven Räumen.

Diese sich at this history-call moment mehrheitlich gerierende selbstkonstruierte mengenindividuelle Attitude und Attitüde (obwohl ja ein jegliches ‚wir’ ach so verpönt ist) erbricht (sich) in der Tradition einer leidenschaftlich seit über einem Viertel Jahrhundert in der Frauenbewegung in Wellen bekannten und in Abständen wogend betriebenen ‚Frauenfeindschaft’ sui generis, oder soll gesagt sein ‚avant la lettre’?

Heute drückt sich dies durch und in eine/r sich selbst insinuierten scheinbaren Majorität der Genderpeople aus, die sich im Recht wähnt, und einer gesamtgesellschaftlich marginalisierten Minderheit, nämlich der feministischen Frauenbewegung entsprungen ist. Und da soll eine/r sagen, das hätte nicht System. Nämlich eines, das her(runbe)kömmlicherweise als Patriarchat oder Filiarchat durchdekliniert wurde, und das sich durch die Dynamik ‚divide et impera’, also durch die Spaltung von Frauen re/generiert. Nicht, dass diese Spaltung nicht bereits durchquert wäre: Autonomie versus Institution/Partei, Mütter versus Nicht, Lesben versus Heteras, bürgerlich versus proletarisch, Bauch versus Kopf, Kultur- versus Linksfeminismus, und was alles noch der Un/Dinge geschehen (sind). Diese Widersprüche wurden, wenn auch nicht gelöst, so doch nicht durch Selbst/Ausschlussverfahren aufgelöst. So wurde in diesen Widersprüchen um die ‚beste’ Widerstandsform gekämpft und es war ein Ringen um eine un/mögliche Gemeinsamkeit, weil nur diese eine Gegenmacht zur Frauenunterdrückung- und Ausbeutung in Aussicht stellt. Eine unabdingbare Voraussetzung zur Konstitution dieser feministischen Frauenpolitik war (und ist, denn weit und breit ist keine Welt in Sicht, die wesentlich frauenstützend geworden wäre) die Be/Gründung von Frauenräumen; diese befrei(t)en von der heterogenormten Abhängigkeit und von äußeren wie inneren Beeinflussungsmechanis’men’. Die Eroberung – und man lese dazu nur die Wiener Gazetten nach der Gründung des Frauencafés als erstem öffentlichen ‚Nur’-Frauenort – eines selbstbestimmten und kollektiv zu gestaltenden Ortes sollte allererst einen Schritt zur eigenen selbstbewußten Stimme und der Artikulation des weiblichen/politischen Begehrens sein.

Heute hanteln sich die Konflikte und Animositäten – z.T. alle/s andere überschattend, weil hoch im Kurs – entlang der Begriffe ‚Queer’ und ‚Transgender’ (- was wird wohl der nächste Hit sein?). Dabei wird merkwürdigerweise von so mancher (und manchem) – buchstäblich verqueer gelesen – eine Bipolarisierung (religionsgeschichtlich seit dem Manichäismus bekannt) zwischen gut und böse, zwischen veraltet und verjüngt, zwischen antiquiert und aktuell exkulpiert und damit die Konsistierung feministischer Frauenorte als das zu vergessende Überfällige, als das deplazierte Überzählige ex-kommuniziert. Und dies alles unter dem Verdikt*** verordnet, dass Binarisierungen – unter deren Ver-ur-teilung ja das Insistieren auf solcherart exzentrische Öffentlichkeiten fällt – das allervorletzte seien. Ein Selbstwiderspruch.

Der neolib gefärbte Egalitätsschematismus, dem es egal ist, welche sich wann wo wie und warum begegnen können, dürfen, müssen, behauptet eine Gleich-gültigkeit von Geschlechtsidentitäten, die umgekehrt und paradoxär auf der Selbstkonstruktion von eben Geschlechtsidentitäterei basiert. Diese Selbstausdifferenzierung wird a priori und a posteriori als höchstes Gut behauptet. Wieso eigentlich dürfen sich bloß Individuen selbst bestimmen und nicht (mehr) Kollektive? Die Bewegungsbeliebigkeit der IndividualistInnen – wie auch immer ver- und de- und re- und mainstreamgegenderd (so als ob es nichts Wichtigeres zu tun gäbe als sich mit der Verfasstheit der subjektiv körperlichen Ge- und Verstimmtheit zu beschäftigen) - also ein fantasierter Mobilitätismus ist oberste Devise. Ein wehe wehe weht von d/orten, wo eine ‚Endlichkeit’ die Aussicht verstellt, grenzenlos überall und jederzeit die eigene Persönlichkeit zu repräsentieren. Auch innerhalb der anti/rks-reflexiven**** westlichen Miniliga als ein ‚wir’ (- in und an dieser stinkenreichen Hemisatmosphäre mitspielende-) Distinguierte, ist dies, also eine Grenzziehung als Endlichkeit offensichtlich der horror vacui schlechthin. Und dies, obwohl wir alle InsassInnen eines privilegierten Territoriums sind und von den Grenzen gegenüber einem bestimmtem Rest der Welt profitieren. Um sich diese Degustation nicht eingestehen zu müssen (- oder um unbewusst damit verbundene Schuldgefühle zu kompensieren? -) ist es doch recht und günstig – unter dem Banner der grenzenlosen Zutrittlichkeit – die gegenseitigen Ein- und Ausschlüsse durch Verachtung selbst zu produzieren. Um sich dort ‚in Freiheit’ die Luft abzuschneiden, wo es woanders zur Not-wendigkeit gehört, ums Atmen in Würde zu kämpfen.

Die postkapitalismuslogische Diktatur der grenzenlosen Ent- bzw. Binnendifferenzierung hat ihren Spiegel in Haltungen einer intoleranten Toleranzforderung; so ist wohl z.B. ‚Queer’ dort im Kern missverstanden, wo es mit Pluralität zu übersetzen wäre, die eine Ermöglichung von Freiheit bedeutet und nicht eine partikuläre Selektion dessen, was dazu gehört und was nicht. (Soz. Eine AntiantiNorm?) Es sollte doch angenommen werden können, dass ein feministischer Frauenort ebenso angenommen wird wie eine schwule Sauna (als ein spezieller Männerort), ohne dies jetzt in irgend einer Weise vergleichen zu wollen. Jedenfalls – und warum auch immer – gibt es zu letzterem keinen Aufreger. (Und wenn das so weitergeht, werden demnächst auch noch die Frauenhäuser als Ex- oder Inclusionsort angegriffen; reduziert durch die Realpolitik in diesem Staate werden sie ja eh schon.)

Frauenorte zu eliminieren durch Boy-kott und diskriminierende Verpönung ist einem neokonservativen mainstream dort assimiliert, wo jenen, die diese brauchen, wollen und wünschen, dieses politische Recht auf Gegenöffentlichkeit madenmies gemacht wird.

Frau setzt sich ja eh ständig mit der Legitimität des eigenen Handelns und dem Anspruch (als Würmchen) auf einen ethisch-politischen Platz in der Weltgeschichte, sowie mit den Widersprüchlichkeiten befremdlicher Verfangenheiten und eigener subjektiver Divergenzen auseinander. (Aber ach ja, heute bringt es ja Dividenden, wenn diversities gemanaged werden – und nicht mehr ausgetragen.)

Bestünde dieser Globus aus einem einzigen dominanten Frauenraum, so wäre evidenterweise ein Da-gegen angemessen; aber so, da das Gegentum der Fall ist, mutet es mehr als entmutigend an, wenn diesen kleinen feinen Besonderheiten, die Widerspruch mit weiblichem Widerstand zu verbinden suchen, der Boden unter den Füßen (von Aussen und von Innen) entzogen wird.
Es soll hier ja nicht einer Sakralisierung von Frauenorten das Wort geredet werden, weil dort, wie überall, wo Menschen zusammenfinden, die Verschiedenheiten (des Es, des Ich und des ÜberIch) aneinanderprallen und durcheinanderpurzeln. Dennoch: diese Perspektive als Idolatrie am weiblichen Geschlecht zu bezeichnen, verkennt die Anstrengungen von Frauen zu konkretem Vermögen, Denk- und Urteilskraft sowie Handlungsfreiheit quer durch die Kultur als humane ‚Natur’geschichte. Und dass letztere nicht als ‚an sich’ gedeutet werden darf, sondern den Unterschiedenen eine Welt bedeuten soll, dafür braucht es die Unterscheidung – von (uns) allen.

In diesem Sinn geht es um den Respekt vor und die Akzeptanz von distinkten Genealogien und ihren Verortungen, Haltungen, Einsichten und Verfahren zur Veränderbarkeit dieser nach wie vor von (bushig&co-) Männern beherrschten Welt. Dafür ist das scheinbar Überflüssige, dem eine Überschreitung des Individuums Voraussetzung ist, notwendig.

Die Frauenbewegungen und ihre Orte sind nach wie vor wesentlich, solange die meisten Frauen da noch gar nicht angekommen sind.

Und wo sollen sie denn ankommen, wenn nix existiert, wo anzukommen wäre? Mehr denn je muss Kritik Einübungsorte suchen und finden, denn nur durch diese ist Distanz zum Vorgegebenen möglich.

“Es ist die Kritik, die uns gewissermaßen vor der Versöhnung mit den Zumutungen des täglichen Lebens schützt. Und es ist die kritische Praxis, die Veränderungen nicht nur ermöglicht, sondern auch unausweichlich werden lässt.” (aus: Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik)

Sind wir Koproduzentinnen in einem Drama mit unbestimmten Akten? Und ob dieses als Komödie oder Tragödie einzuordnen ist, wird erst durch das Urteil der Geschichte beantwortet werden können.

Nichts für Ungut Ladies!

ANMERKUNGEN:

* Autodafé: Handlung des Glaubens, Urteilsverkündung und -vollstreckung der … Ketzergerichte, besonders im Kampf gegen… Häresie
** ‚altes’ Feministinnenmobbing: als eine spezifische Form von Age-ismus (mit nicht zu fixierenden Altersstufen)
*** Verdikt: vere dictum – wahr Gesagtes, Wahrspruch, Urteil der Geschworenen
**** anti/rks-reflexiven: anti/rassistisch -klassistisch -sexistisch; eine Verbalkombination, die gegenwärtig gebetsmühlenartig in jedem pol.cor. Kontext zur Anwendung kommt


http://wolfsmutter.com/artikel261

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